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Von Testkindern und Weltraumoptik – unterwegs mit einem Spielplatzprüfer

Risiko Spielplatz: Unterwegs mit Jörg Schrage. Der Sicherheitsexperte testet Rutschen, Wippen und Schaukeln. Und schult am ELBCAMPUS Spielplatzprüfer*innen, zum Beispiel Hausmeister und Architektinnen oder Landschaftsgärtnerinnen und Schuldirektoren.

Jörg Schrage – vom Experten für Arbeitssicherheit zum Spielplatzprüfer
Jörg Schrage (54) – vom Experten für Arbeitssicherheit zum Spielplatzprüfer. Seit 7 Jahren kontrolliert er Spielplätze in Hamburg

Das Testkind wiegt ein halbes Kilo, ist knallrot und aus Kunststoff: Jörg Schrage schiebt es durch die Schlaufe eines Klettergerüsts aus Seil. Bleibt der bunte Prüfkörper nirgendwo stecken, ist alles in Ordnung, so der Experte: „Denn das beweist, dass Kinder durch die Schlaufen hier steigen können, ohne Gefahr zu laufen, sich in einer Schlinge zu verfangen oder schlimmstenfalls gewürgt zu werden.“ Solche Unfälle will Schrage verhindern: Der 54-Jährige prüft die Sicherheit von Spielgeräten in Parks und Hinterhöfen, Kitas und Schulen. In seinem Koffer trägt der Fachmann deshalb nicht nur das künstliche Testkind mit seinen angedeuteten Armen in rot bei sich. Sondern auch runde Näpfe, die kleine Köpfe simulieren, und kurze Stahlstangen: Sie ahmen Kinderfinger nach. Gerade versucht Schrage, einen solchen Stab durch das Kettenglied einer Schaukel zu stecken – und scheitert. So soll es auch sein: Kinder dürfen sich hier nicht klemmen oder quetschen.

Checks sind Pflicht – was kaum einer weiß

So wie hier auf der Grünfläche „Am Irrgarten“ im Hamburger Stadtteil Harburg müssen Spielplätze laut DIN-Norm mindestens alle drei Monate geprüft werden, einmal jährlich auch durch einen Fachmann wie Schrage. Doch kaum ein Betreiber kennt diese Vorschrift, beklagt der Sicherheitsexperte: „Einige Spielplätze werden über Jahre hinweg nicht untersucht, dabei haften die Betreiber bei Unfällen.“ Schrage arbeitet deshalb nicht nur als selbständiger Sicherheitsprüfer, sondern bildet am ELBCAMPUS auch Hausmeister und Schulleiterinnen weiter, außerdem auch Kitabeschäftigte, Gartenbaumeister, Architektinnen und Stadtplaner.

Spielgeräte: Tipps für Planung und Aufbau

Vier Tage lang lernen sie im Seminar zum Spielplatzprüfer die behördlichen Vorgaben für den Entwurf und Bau von Spielplätzen kennen, außerdem alle wichtigen Schritte für deren Prüfung. Die vierteljährlichen Kontrollen können sie danach selbst durchführen, was Wohnungsbaugesellschaften und Behörden viel Geld spart. Denn Gefahrenstellen erkennen sie so eigenständig, etwa morsches Holz von Turngeräten, abgescheuerte Metallteile an Karussells oder Kunststoffgriffe, die im Sonnenlicht spröde geworden sind. 

Auf dem Areal in Hamburg-Harburg aber findet Schrage kaum Schäden: Der Spielplatz ist in Weltraumoptik gestaltet, halbkugelförmige Planeten aus Gummi liegen im Sand und laden zum Klettern ein, Wippfiguren wirken wie kleine Satelliten. Gerade steht der Prüfer an einer übermannshohen blauen Mondrakete aus Holz. Auch sie besteht seine Tests mühelos: Ihre Rutsche aus Metall zeigt intakte Schweißnähte und eine ausreichend lange Auslaufzone. Ihre Außenhaut aus Holz trägt zwar etwas Grünbelag und auch zwei Tags, also kleine Graffiti-Schriftzüge – beides ist aber unerheblich für die Sicherheit. „Der Spielplatz ist gut in Schuss“, lobt Schrage die Anlage.

Kontrolle von Spielplätzen: Viele sind mangelhaft

Das sei leider nicht immer so: Viele Spielplätze sind in schlechtem Zustand, beklagt der Experte: „Im Hamburger Stadtgebiet würde ich den meisten nur eine Schulnote von 3 bis 4 geben.“ Das liege auch daran, dass die Sicherheit von Spielplätzen in Lehrgängen nur selten thematisiert wird: Sie ist weder Teil der Ausbildung von Landschaftsgärtnern, noch Thema im Studium von Architektinnen und Stadtplanern. In Deutschland entwerfen deshalb oftmals Menschen einen Spielplatz, die die geltenden DIN-Normen nicht kennen, erklärt Schrage.

Das führt mitunter zu haarsträubenden Fehlplanungen: Eine Direktorin in der Lüneburger Heide etwa wollte dem neuen Spielplatz auf ihrem Schulhof etwas Lokalkolorit verleihen und platzierte deshalb große Findlinge auf dem Areal. Dabei missachtete sie aber die notwendigen Sicherheitsabstände von bis zu drei Metern: Kinder, die auf dem Balancierpfad der Schule ausrutschen, wären so direkt auf die Steine geprallt. 


Spaß an der Arbeit mit Kindern

Schon seit sieben Jahren prüft Schrage Spielplätze in und um Hamburg – und hat dabei auch überraschende Risiken entdeckt. Etwa Giftpilze auf dem Spielplatz eines Kindergartens: Dort hatte sich der Knollenblätterpilz verbreitet. „Die Kitaleitung hat sofort reagiert und das Areal gesperrt“, erinnert sich Schrage an den Fall zurück. „Doch ausgerechnet die Eltern beschwerten sich darüber: Sie wollten, dass ihre Kinder trotzdem dort spielen – dabei können bei diesem Pilz schon wenige Bissen lebensgefährlich sein.“ Zwei Mal schon musste der Prüfer die Feuerwehr rufen und einen schlecht gepflegten Spielplatz ganz sperren. Oft reiche es aber, nur einzelne Geräte abzuschotten – mit Bauzäunen. Rot-weißes Flatterband reiche meist nicht aus, so Schrage. „Das zieht die Kleinen erst recht an: Kinder sind nun einmal von Natur aus sehr neugierig.“

Schrage findet das großartig. Wo immer es ohne Risiko möglich ist, bezieht er Kinder in seine Arbeit mit ein: Legt er auf einem Spielplatz zum Beispiel den Pfosten eines Spielgeräts frei, um dessen Standfestigkeit zu prüfen, bildet sich schnell eine Traube kleiner Beobachter um ihn. Die Kinder dürfen dann mit ihren Schaufeln beim Buddeln helfen. Auch mit Eltern tauscht sich der Prüfer gerne aus: Viele seien sehr vorsichtig, sagt Schrage. Kommt ihr Kind nicht von alleine auf ein Spielgerüst, würden sie ihm helfen. „Doch viele Geräte sind bewusst so entworfen, dass kleine Kinder sie noch nicht erklimmen können – die Mädchen und Jungen sollen sich an ihnen zunächst ausprobieren und auch einmal scheitern, damit sie ein gesundes Gefühl für das Risiko entwickeln.“ Fallen sie doch, dämpfen meist Gummimatten oder Spielsand die Gefahr für Verletzungen. Sind die Klettergerüste höher als drei Meter, ist sogar spezieller Fallschutzsand vorgeschrieben.

Das Thema Sicherheit interessiert Schrage schon lange: Zunächst arbeitete er für einen Immobilienservice als Experte für Arbeitssicherheit. Dort prüfte er die elektrischen Geräte und Fahrzeuge. Vor zehn Jahren dann wurden die Hausmeister der Firma gefragt, ob sie auch Spielplätze prüfen könnten – und Schrage war sofort interessiert. Drei Jahre lang ließ er sich zum Prüfer qualifizieren, heute kontrolliert er 100 Spielplätze pro Jahr. Rund eine Stunde dauern derartige Termine, danach verfasst er für den Betreiber ein Schadensprotokoll, dokumentiert Mängel auch per Foto. „Diese Unterlagen sind enorm wichtig, wenn Betreiber bei einem Unfall nachweisen müssen, dass die Geräte gut gewartet waren“, erklärt Schrage.  


Planung von Spielplätzen – kreativ trotz Normen

Er selbst liebt fantasievoll gestaltete Spielplätze. Die Designer müssten sich heutzutage schon etwas einfallen lassen, sagt der Experte, schließlich stünden ihre Anlagen mittlerweile bei vielen Kindern in Konkurrenz mit dem Smartphone. Die DIN-Normen würden die Kreativität beim Entwurf kaum einschränken: „Es gibt viele tolle Spielgeräte, die abenteuerlich aussehen und trotzdem sehr sicher sind.“ Solche Anlagen seien zwar mitunter aufwendiger zu prüfen – aber das sei ihm die Arbeit wert, sagt Schrage. Einmal etwa wurde er zu einem Sicherheitscheck zu einem Spielplatz im Norden Hamburgs gerufen: Ein engagierter Vater, selbst Landwirt, hatte dort ein ungewöhnliches Klettergerüst gebaut. Strohballen hatte er so gestapelt, dass sie einem Märchendrachen ähnelten – einen Sommer lang sollten die Kinder darauf toben dürfen. Die Kitaleiterin aber war unsicher, wie gefährlich das Spielen darauf war. „Doch sie hatte zusammen mit dem Vater vorbildlich gehandelt: Der Drache war umgeben von einer dicken Schicht Stroh, darunter lag sogar noch einmal Rindenmulch, um mögliche Stürze abzufedern. Und selbst der spätere Abbau der Konstruktion war schon organisiert – da hatte ich wirklich nichts zu meckern“, sagt Schrage. Solche individuellen Spielgeräte berücksichtigt die DIN-Norm als „bespielbare Kunst“. 

Besonders aber freut sich der geborene Hamburger, wenn Spielplätze auch älteren Kindern und Jugendlichen etwas bieten, zum Beispiel eine Rampe zum Skaten oder Fitnessgeräte. Gerade auf dem Land würden sich die Älteren sonst schnell langweilen – und ihre überschüssige Energie mitunter auch an den Geräten für die Jüngeren auslassen. „Manche üben dann Kampfsport an den Teilen aus Holz und treten diese versehentlich kaputt, andere kokeln in Spielhäusern oder werfen Dreck und Scherben auf Kinderrutschen.“ 

Durch seine Erfahrung sehe er mittlerweile oft schon auf den ersten Blick, ob ein Spielplatz gut in Schuss sei, sagt Schrage. Und dieser Blick lasse sich nicht so leicht abstellen – etwa im Urlaub. Da besuche er gerne mal einen Spielplatz, gerade im Ausland, gesteht der Experte. 

Seine eigenen Kinder sind zwar längst erwachsen. „Aber, wenn interessante Spielgeräte in der Nähe sind, laufe ich gerne mal einen kleinen Umweg. Meine Frau war davon anfangs etwas genervt – aber mittlerweile habe ich sie mit meiner Begeisterung angesteckt.“ 


Die "Sachkundeprüfung Operative/r Spielplatzprüfer/in" gemäß DIN 1176 sowie die notwendige, regelmäßige Nachschulung "Operative/r Spielplatzprüfer/in (Auffrischung)" nach DIN 79161, können Sie am ELBCAMPUS absolvieren.

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