Die Arbeitsmethode BIM ist bei vielen Bauvorhaben des Bundes mittlerweile Pflicht – seit 2023 nicht mehr nur für Infrastrukturprojekte, sondern auch für Hochbauten. Deshalb bereiten derzeit viele Unternehmen der Baubranche die Einführung der entsprechenden Prozesse vor – und auch die Installation der dafür nötigen Programme.
Tätje Ommen aber, Ingenieurin bei der Firma Fichtner Water & Transportation GmbH, hat sich schon deutlich früher mit dem Thema auseinandergesetzt. Sie sieht viele Vorteile in den digitalen Modellen: Sie erleichtern nicht nur die Kommunikation mit allen Beteiligten eines Bauvorhabens, sondern liefern bei Bedarf auch über Jahrzehnte hinweg wertvolles Wissen für die Nutzer eines Bauwerks. Bei Fichtner Water & Transportation (FWT) sind das vor allem Städte, Kommunen und Gemeinden: Das Stuttgarter Ingenieurbüro betreut Infrastrukturprojekte überall auf der Welt, insbesondere in den Bereichen Wasser, Abfall, Verkehr und Umwelt. Im Hamburger Büro von FWT leitet Tätje Ommen die Abteilung Ingenieurbau, ihr Schwerpunkt liegt dabei auf Vorhaben im konstruktiven Wasserbau: Mit ihrem Team plant sie zum Beispiel Schleusenanlagen, Kaimauern, Stauanlagen, Wehr- sowie Wasserkraftanlagen.
Wie sich dabei die BIM-Methodik mit verschiedenen Programmen noch effektiver nutzen lässt, erfuhr sie nun gemeinsam mit ihrem Kernteam bei einer speziell auf Fichtner zugeschnittenen Schulung am ELBCAMPUS. „Solch ein Blick von außen ist für uns sehr wertvoll, um abzugleichen, ob wir das Potenzial von BIM schon optimal nutzen.“
Was ist BIM?
Die Ingenieurin erinnert sich noch gut daran, wie sie früher versucht hat, alle Projektpartner über den aktuellen Stand ihrer Planung zu informieren. „Ich habe PDFs meiner Entwürfe verschickt oder lange Excel-Tabellen, etwa mit Auflistungen über alle verwendeten Grundlagendateien und Bauteile.“
Heute nennt sie solche Dokumente 'eingefrorenes Wissen'. Denn sie erlauben immer nur die Momentaufnahme eines Projekts. „Sobald sich nur eine Kleinigkeit in der Planung ändert, und sei es nur die Breite einer Tür, sind die Dateien schon veraltet und ich muss alle Beteiligten erneut informieren“, erläutert Tätje Ommen das Dilemma.
Hier bietet BIM eine Lösung: Durch diese Arbeitsmethode entstehen digitale Zwillinge von Bauvorhaben. Die Modelle stellen dabei ein Bauwerk in all seiner Vielfalt dar: vom umgebenden Gelände bis hin zur technischen Ausrüstung. Über die gewünschte Detailtiefe stimmen sich die Projektbeteiligten ab, je nachdem zu welchem Zweck das Modell erstellt wird. Zu diesem Doppelgänger haben alle Beteiligten eines Projektes – Architektinnen und Statiker, Handwerker und Bauleiterinnen – Zugang.
Notwendige Änderungen an Entwürfen und Planungen können sie so direkt im BIM-Modell vornehmen und damit sicherstellen, dass alle Projektpartner informiert sind und stets den aktuellen Stand der Planung nutzen. Das reduziert die Gefahr von Missverständnissen oder Fehlplanungen und spart Zeit sowie Geld. Voraussetzung hierfür ist eine gemeinsame digitale Austauschplattform, zum Beispiel eine Cloud, auf welche alle Beteiligten von Anfang an Zugriff haben. Baufirmen können sich Informationen über benötigte Baumaterialien und Mengen aus dem Modell ziehen –theoretisch bis hin zu jeder einzelnen Schraube.
Auch ein Tool zur Visualisierung
„Wir nutzen die Modelle aber auch, um die Öffentlichkeit über wichtige Bauprojekte zu informieren“, erklärt Diana Petrick, Konstrukteurin und Bautechnikerin im Team von Tätje Ommen.
In einem früheren Projekt wurde zum Beispiel dem Bauherrn ein 3D-Modell von einem geplanten Wasserkraftwerk an einem Stausee präsentiert, um den touristischen Fokus im Planungsprozess zu integrieren.
In einem weiteren Projekt hatten sich Anwohner besorgt über das Bauwerk geäußert, das Fichtner Water & Transportation betreut. „Mit Filmsequenzen konnten wir zeigen, wie sich die geplante Fischanlage später im Gelände der vorhandenen Wehranlage einpassen würde und welche Sichtachsen sich für die Anwohner ergeben: Das hat vielen gefallen und eventuelle Vorurteile ausgeräumt.“, erklärt Diana Petrick.
Die BIM-Modelle bleiben jedoch auch nach Vollendung eines Bauprojekts hilfreich: Sie dienen als Informationszentrale für die Nutzer. Betreiber und Energiemanagerinnen zum Beispiel können über sie den reibungslosen Betrieb überwachen – oder Störungen schneller lokalisieren.
Beispiele wie diese zeigen laut Tätje Ommen aber auch die Grenzen von BIM auf: „Man muss aufpassen, dass man sich nicht darin verliert – die Datenflut ist immens.“ Am Beispiel eines klassischen Gebäudes lässt es sich am besten zeigen: Nicht jeder müsse schließlich wissen, dass im 5. Stock eine Beleuchtung ausgefallen sei, so die Ingenieurin, das interessiere meist nur den Hausmeister. Deshalb müsse man die BIM-Anforderungen passend für die individuellen Bedürfnisse des Auftraggebers erstellen.
Über derartige Fragen debattierte Tätje Ommen auch bei der Schulung am ELBCAMPUS. „Für mich war die Erkenntnis wichtig, dass wir aus lauter Begeisterung mitunter vielleicht sogar zu viel Zeit in die Modelle stecken.“ Der Vorschlag seitens des ELBCAMPUS, für Visualisierungen auch Experten aus der Gaming-Branche in Betracht zu ziehen, war ein interessanter neuer Ansatz für die Teilnehmer und hat den Blickwinkel für künftige Arbeitsteilungen geschärft. „Schließlich wissen wir durch die Schulung jetzt, wie wir die BIM-Prozesse noch effektiver bei uns einsetzen können.“
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