Die Mutmacherin
Von der Schülerpraktikantin zur Werksleiterin: Seit 25 Jahren arbeitet Carolin Bluhm für das Abwasserwerk Seevetal. Den Meisterkurs am ELBCAMPUS belegte sie trotzdem nur nach einigem Zögern. Heute wirbt sie für mehr Frauen in der Branche.
Manchmal braucht man einen Stupser: Mit dem Thema Meisterschule hatte Carolin Bluhm schon abgeschlossen – mit Ende 30 fühlte sie sich zu alt dafür. Dabei hatte sie diesen Weg ursprünglich unbedingt einschlagen wollen, denn die Norddeutsche ist begeisterte Abwassertechnikerin: Seit 25 Jahren arbeitet sie beim Klärwerk Seevetal. „Ich liebe die Vielfalt an meinem Beruf: das Anpacken draußen, wenn eine Pumpe Probleme macht oder wenn ein Rohr frei gespült werden muss, aber auch das konzentrierte Arbeiten im Labor“, sagt die heute 41-Jährige. Außerdem möge sie die Abwechslung: Wenn sie morgens zur Anlage fahre, wisse sie nie, was der Tag ihr bringe, erzählt sie – mal sind Routineaufgaben zu erledigen, mal aber ist schnelles Handeln gefragt, etwa wenn sie Schadstoffe in Wasserproben entdeckt oder Starkregen die Kanalisation herausfordert.
Trotzdem schob Carolin Bluhm die Anmeldung für den Kurs zur Abwassermeisterin immer weiter hinaus, vor allem, weil sie neben dem Beruf noch ihre zwei Kinder betreut. „Als die dann aus dem Gröbsten raus waren, hatte ich das Gefühl, eine Chance verpasst zu haben: Die Meisterschule käme für mich nicht mehr in Frage, dachte ich, denn in solchen Kursen sitzen doch nur Jüngere.“
Doch das sahen ihre Kollegen anders: Schon während der Ausbildung hatte ihr damaliger Vorgesetzter Carolin Bluhm prophezeit, dass sie später sicher einmal den Meister machen würde, „so plietsch wie du bist“. Und vor drei Jahren nahm ihr damaliger Chef sie zur Seite: Er wünsche sich sehr, dass sie seine Nachfolgerin werde, sagte er, schließlich habe sie das Zeug dazu.
Das gab Carolin Bluhm den entscheidenden Schub: Sie meldete sich für den Meisterkurs am ELBCAMPUS an und ist nun seit Sommer 2025 Abwassermeisterin. Die Anlage in Seevetal leitet sie mittlerweile sogar als verantwortliche Meisterin. Doch sie bleibt eine der wenigen Frauen in ihrer Branche: Laut Statistischem Bundesamt liegt ihr Anteil im Sektor „Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung sowie Beseitigung von Umweltverschmutzungen“ bei gut 20 Prozent.
Selbst einige Dozenten während der Meisterschule hätten überrascht reagiert, als sie registrierten, dass unter den Teilnehmenden des Kurses drei Frauen waren, erinnert sich Carolin Bluhm: Eine so hohe Quote sei offenbar noch immer ungewöhnlich. Ihr Alter dagegen spielte tatsächlich keine Rolle. Stattdessen sei die Meisterschule organisatorisch erstaunlich herausfordernd gewesen, erzählt sie: Nicht immer sei es einfach gewesen, sich nach einem prall gefüllten Arbeitstag auf den Unterricht zu konzentrieren, dazu kamen die bisweilen stressigen Fahrten zum ELBCAMPUS durch den Berufsverkehr. Ihr fehlte Zeit für ihren Mann und ihre beiden Kinder, für Freunde – und zum Entspannen.
Mit ihrer Zeitnot ist Carolin Bluhm nicht alleine: Viele angehende Meister*innen berichten dem ELBCAMPUS, wie schwer es mitunter sei, Beruf, Weiterbildung und Privatleben zu koordinieren, gerade wenn die Anfahrtswege zum Unterrichtsgebäude in Hamburg-Harburg etwas länger sind. Den Kurs zur Abwassermeister*in bietet der ELBCAMPUS künftig als Kombination aus Online- und Präsenzphasen an: Wochentags können Teilnehmende dem Unterricht von zu Hause aus folgen, Präsenz gibt es nur noch einmal im Monat freitags und samstags.
Für Carolin Bluhm hätte eine solche Regelung die Meisterschule erleichtert, bestätigt sie. Zufrieden ist sie dennoch: „Ich habe viele interessante Kollegen kennengelernt – und eben auch Kolleginnen.“ Im Klärwerk Sevetal war Carolin Bluhm über viele Jahre die einzige Frau im Team. „Anfangs kamen da schon ein paar blöde Sprüche“, erinnert sie sich an ihre Ausbildungszeit zurück. Einige Männer hätten sie offen abgelehnt: Was willst Du als Mädchen hier bei uns auf der Anlage?, sei sie gefragt worden. Diese Kollegen sind heute im Ruhestand. Schon damals gab es aber auch jene Männer, die sie ermutigt und gefördert haben, betont Carolin Bluhm. Lass Dir bloß nichts einreden! Die Arbeit bei uns schaffst Du genauso gut wie jeder Junge, sagten die zu ihr.
Seit drei Jahren arbeitet nun auch eine zweite Frau im Werk in Seevetal: Die junge Kollegin hat auch ihre Ausbildung im Team von Carolin Bluhm absolviert. Der ist es heute wichtig, eine Wegbereiterin für andere Frauen zu sein: Noch melden sich nur wenige von ihnen für eine Ausbildung an. „Aber auch viele junge Männer wissen nicht, wie spannend die Aufgaben bei uns sind.“
Sie selbst ist über ein Schülerpraktikum zum Abwasser gekommen, erzählt Carolin Bluhm: Kurzfristig musste sie in der 10. Klasse eine Stelle ergattern und war deshalb einfach nur froh, als ihre Lehrerin sie auf einen freien Praktikumsplatz beim nahegelegenen Abwasserwerk hinwies. Das bot ihr im Anschluss direkt einen Ausbildungsplatz an. „Doch ich war zunächst skeptisch: Bei Gleichaltrigen kannst du mit dem Arbeitgeber nicht gleich punkten“, sagt Carolin Bluhm und lacht. Doch sie habe sich schon immer für Biologie und Chemie interessiert und war überrascht, wie wichtig diese Fächer in dem Beruf sind. „Bis heute faszinieren mich die Bakterien, die sich im Abwasser tummeln – schädliche, aber eben auch hilfreiche.“
Die Ausbildung sagte sie schließlich zu – und möchte heute andere motivieren, ihr zu folgen. Denn vielleicht brauchen auch sie nur den einen, entscheidenden Stupser.
Nähere Informationen zum Kurs am ELBCAMPUS finden Sie unter folgendem Link: Geprüfte/r Abwassermeister/in
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